Lieber
Helmut
Nun schläfst du schon ein halbes Jahr in „Deiner
Ewigkeit“.
Am
12. Apr. 2008 hattest du in Travemünde deine Seebestattung
im Familienkreis.
Dein
Neffe Manfred aus Tangermünde und Musa nahmen auch an
dieser Seebestattung teil.
Helga
und ich sind dir so nahe wie möglich gewesen.
Als das Bestattungsschiff Richtung Ostsee schwamm, blieben
wir am Kai. Wir winkten und unsere Blumen schwammen dir hinterher.
Weiter
möchte ich mich zu dieser Situation nicht auslassen…
Einen
Freund im Stich lassen, war nie deine Art Helmut, einfach
zu gehen, ohne Abschied zu nehmen, ist auch nicht die Art
von Musa.
Beides
zu verknüpfen ist Ziel dieser letzten gemeinsamen Kaffeestunde.
Und nun
begrüße ich im Namen von Musa und Manfred:
Carl Boysen,
du bist jetzt an die 1. Seniorenstelle nachgerückt, denn
zwischenzeitlich bist du nun auch 96 Jahre alt…
Heinz
Krause, dich hat das Zeitliche, 2 Monate nach Helmut gesegnet,
und wir gedenken auch deiner, lieber Heinz…
liebe
Nachbarn, viele Handballer und Polizeikameraden sowie meine
Helga.
Danke für eure Anwesenheit …
Als Leitfaden benutze ich eines meiner Gedichte:
Die
Flamme und Du
Eine
Flamme beginnt so klein,
wie Du trittst in das Leben ein.
Sie
verbrennt, viel Energie,
ohne solche lebst Du nie.
Irgendwann
verlischt sie dann,
und Du hältst Deinen Atem an.
Brennen
Flammen weit und breit,
bist Du im Licht der Ewigkeit
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.
. . Eine Flamme beginnt so klein . . .
Ja,
Helmut, so klein wie eine Flamme, begann auch dein Leben,
und 9 Monate später, am 24. Juni 1911, erblicktest Du
das Licht in Tangermünde.
Und
damit jeder unsere Parallelen erkennt, füge ich hinzu,
daß auch meine Mutter, 12 Tage nach Dir, auch 1911 in
Tangermünde geboren ist. Ihr
seid zur gleichen Zeit Kinder von Tangermünde gewesen.
.
. . Sie verbrennt, viel Energie . . .
Helmut,
auch du verbranntest dein Leben lang viel Energie, um 96 Jahre
alt zu werden und geistig jung zu bleiben.
Als
Schulkind, konntest du schneller laufen als deine Mitschüler.
Du konntest den Schlagball und den Speer weiter werfen und
hattest nicht einmal Sportzeug. Barfuß, mit heraushängenden
Strapsen deines Leibchens, hattest du bei Wettkämpfen
mit Schülern deiner und anderen Schulen oder bei Sportveranstaltungen
mitgemacht. Das Geld fehlte schon damals.
Als Dein Vater von anderen Tangermündern auf diese Situation
aufmerksam gemacht worden war, machte er Deiner Mutter Vorhaltungen.
Du bekamst Turnzeug und Deine Mutter hatte noch weniger Geld
für den Haushalt.
Du
erlerntest in Tangermünde den Beruf des Silberschmiedes
und schmiedetest eine Gabel nach der anderen.
In
Deiner Freizeit wechseltest Du von der Leichtathletik zum
Handball und wurdest über Tangermünde hinaus bekannt.
Außerdem wechseltest Du zur Polizei nach Berlin.
1938,
bei der Weltmeisterschaft im Feldhandball hattest Du Deine
erste Goldmedaille gewonnen. Es war die letzte Weltmeisterschaft
vor dem Krieg.
Ich fand im Internet eine Tabelle der Weltmeisterschaften,
und sah darin euer Ergebnis gegen die Schweiz. 23 : 0 hatte
es geendet. Für mich ein Tippfehler, und so erkundigte
ich mich telefonisch bei Erwin Porzner, dem Spielführer
der 66. Gruppe. Er teilte mir mit, dass es so richtig ist,
und er sagte mir auch noch das Halbzeitergebnis von 12 : 0.
Wie hattet ihr ein solches Traumergebnis nur geschafft?
Dann
stellte Adolf von allen Polizeibeamten in Deutschland eine
Spezialtruppe auf. Der Zufall wollte es, daß du und
mein Vater mit dieser Einheit in Jugoslawien eingesetzt worden
seid. Mit deiner Verletzung (Rücktransport in die Heimat)
hattest du etwas mehr Glück als mein Vater, denn er musste
bis Okt. 1951 dort in der Gefangenschaft aushalten.
Beide
hattet ihr Eure Frauen vor den Bomben in Hamburg und Berlin
schützen wollen und sie mit den Kindern nach Tangermünde
geschickt, denn dort gab es keine Bomben.
Bei
Kriegsende wolltest du dich nach Tangermünde durchschlagen
und bist dann in Hamburg bei der Polizei gelandet.
In
Bergedorf und Umgebung wurde in vielen Vereinen Handball gespielt
und du fühltest dich dort zu Hause.
1952,
als Deutschland wieder an Weltmeisterschaften teilnehmen durfte,
warst Du noch immer oder schon wieder in der neu aufgestellten
Deutschen Mannschaft. Mit 41 Jahren holtest du dir deine 2.
Goldmedaille…
Manfred
Mendach machtest Du zum Nationalspieler und kümmertest
Dich als Trainer um die „Dorfmannschaft“ TuS Wohltorf
/ Aumühle. Jedes Jahr stieg diese Truppe auf, bis sie
schließlich an der Spitze der Hamburger Landesliga war.
Wegen
Deines Bekanntheitsgrades hatte die Polizei Hamburg dich eingestellt,
und es dauerte nicht lange bis dir die Leitung der Sportabteilung
der Hamburger Polizei übertragen worden ist. Die großen
Hamburger Polizeisportfeste fielen in deinen Aufgabenbereich.
1959
habe ich auch bei der Polizei Hamburg als junger Anwärter
angefangen. Für das Sportfest 26. Mai 1960 durften wir
bis zur Perfektion üben. Täglich durfte unser Zug
die Rundgewichte mindestens 1 Stunde bewegen. Je nach Begabung
durften wir auch den Salto in Uniform mit Tschako über
den großen Tisch vorführen.
60.000
Zuschauer fasste das gut gefüllte Volksparkstadion und
eine Zuschauerin hieß Helga. Es war wohl unsere Fügung,
denn wir verabredeten uns sofort und zwei Stunden später
sagte ich ihr in Alsterdorf, daß ich sie heiraten werde.
Sie wollte es nicht glauben, aber in 3 Jahren haben wir goldene
Hochzeit…
Dann
trennten sich unsere Wege ca. 40 Jahre, weil Du im Deutschen
Handballbund Traineraufgaben und bei der Fa. Tietdke Überführungsfahrten
getätigt hattest.
Ganz
egal in welchem Kreis du dich bewegt hattest, immer brannten
die kleinen nicht erlöschenden Begegnungslichter.
Als wir über die Brücke auf unser Grundstück
gingen, hattest du zu Helga gesagt: „Zu schön,
Schüler und Lehrer…“
Ja
Helmut, unsere gemeinsamen letzten Jahre waren auch für
mich schön, ganz besonders, weil ich die Vielzahl deiner
Freunde miterleben und sie kennen lernen durfte.
Welcher
96jährige wird noch in einem Seniorenheim oder Krankenhaus
von so vielen Freunden besucht? Die Flamme deines Lebenslichtes
muß ein besonderes Leuchten gehabt haben.
. . . Irgendwann verlischt sie dann
. . .
Aber
du, Helmut, hieltest deinen Atem noch nicht an
Unser
Handschlag im Marienkrankenhaus besiegelte deinen Wunsch.
Nicht nach Burgwedel sondern nach Bergedorf, in das Heim CURA,
wolltest du gebracht werden.
Diesen
Wunsch erfüllte ich dir gerne…
Zusammen
mit deiner lieben Musa hattest du bis Weihnachten noch eine
schöne Zeit. Ich weiß es genau, denn ich war täglich
morgens, mittags oder abends bei dir.
Es fehlte an nichts, und so feierten wir Weihnachten zu viert
in deinem wohnlich eingerichteten Zimmer Nummer 17.
Kerzen
brannten, und der Tisch war feierlich gedeckt.
Musa
hatte wie jedes Jahr echten russischen Kaviar mitgebracht
und als „Krimsekt“ sprudelte Selters im Glas.
Ein
gelungener Tag.
Dir
ging es richtig gut und Musa flog am 2. Weihnachtstag wieder
nach Russland zurück.
Die
netten Schwestern vom CURA-Seniorenheim und ich kümmerten
sich weiterhin um Dich.
Am
29. Dez. hatte ich Dir erzählt, daß ich am 3. Jan.
2008 für 3 Tage nach Tangermünde fahren werde.
„Dann
grüß mir mein Tangermünde und alle Tangermünder,
die wir kennen.“
Und dann kam deine Bitte: „Herbert bring mir Heimaterde
mit.“
Mit
der Heimaterde kam ich am 7. Jan. wieder zu dir und erklärte
dir, was auf dem Bild zu sehen war, und las dir die Zeilen
vor, die ich dazu geschrieben hatte… Die Tangermünder
Heimaterde lag jetzt immer griffbereit bei dir…
Am
10. Jan. waren noch Herbert Bossenz und Heinz Krause bei dir
zu Besuch, und wir saßen zu viert in der Cafeteria.
Beide erzählten sehr interessant über alte Begebenheiten,
und dann hatten sie einen Namen vergessen. Jetzt schmunzeltest
du, Helmut, und meintest: „Ich hatte nie etwas mit dem
zu tun, aber den Namen kann ich euch sagen.“
Du nanntst den Namen und die Erzählerei ging weiter….
Ja,
Helmut, und von Heinz Singer hatte ich dann am Telefon erfahren,
daß die Flamme von Heinz Krause, 2 Monate nach Dir,
auch erloschen ist.
Ruhe
in Frieden Heinz, auch dich werden wir nicht vergessen…
Die Nacht zum 11. Jan. hattest du, Helmut, wieder in Deinem
Bett geturnt und warst über das, deinem Wunsch entsprechend,
hochgeschobene Schutzgitter, geklettert und erneut auf den
Kopf gefallen.
Morgens
erzähltest du mir dann deine nächtlichen Erlebnisse
und hattest mich gebeten, keine Reklame von dem Krankenhausaufenthalt
zu machen.
Ich
machte keine Reklame, aber die Buschtrommel trommelte in deinem
Freundeskreis weiter.
Jutta
Nentwig war am 16. bei dir, und du hattest ihr noch eine „Steilvorlage“
serviert.
Am
19. war Dir von der Fa. Tiedtke, durch Frau Scharfenberg und
die Herren Nehls und Albers, ein wunderhübscher Blumenstrauß
überbracht worden.
Sie
waren sich nicht sicher, ob sie von dir, Helmut, noch erkannt
worden sind.
Als
ich dich auf die Blumen angesprochen hatte, teiltest du mir
mit, daß die von der Fa. Tiedtke sind. Du hattest es
registriert.
Am
24. hatte meine Helga dich gefragt: „Helmut erkennst
du Herbert noch?
Da
lächeltest du Helmut und nahmst meine Hand und zogst
sie an deine Lippen.
Danke
Helmut, solche Augenblicke vergesse ich auch nicht.
Und
dann, am 25. Jan. 2008, brachten dir Helga Timmann und Gisela
Patzke eine rote Rose in dein Krankenzimmer.
Als
ich spät am Abend noch einmal in zu dir gekommen war,
erfreute ich mich an dieser wunderschönen Rose.
Ob
du, Helmut, die Rose noch gesehen hattest, kann ich nicht
sagen, ich weiß nur, daß mit unserem festen Händedruck
eine tiefe Tangermünder Freundschaft besiegelt worden
war und aus mir die letzten 14 Tage, bis zu deiner letzten
Stunde, dein Sterbebegleiter geworden ist.
…Die
Flamme ist erloschen. Helmut hielt seinen Atem am 25. Jan.
2008 an und bekam die Tangermünder Heimaterde in seine
Hände.
Vorsorglich
hatte ich für Musa gleich ein Duplikat gemacht.
Helmut,
nun schlafe weiter in deinem Licht in der Ewigkeit…
Auch du, lieber Heinz Krause, bist in diese Worte eingeschlossen…
Wer
möchte, kann jetzt noch das Wort ergreifen.
Ich
wünsche allen Anwesenden weiterhin Gesundheit, einen
klaren Blick und ein gefühlvolles warmes Herz, so wie
unser Helmut Torka …
Herbert
Jerrentrup 25. Juli 2008
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