Ein
Schutzmann mit Herz
wird
als "König Jerry" von St. Georg verabschiedet.
Antwort
auf die Frage: "Was war denn besonders schön im Laufe
Ihrer 40jährigen Dienstzeit?" von
jemandem wie mir, der überwiegend Freude in sich hat und
stets bemüht ist, Freude zu verteilen, noch Höhepunkte
aus seiner Dienstzeit zu hören, ist kaum möglich.
Ich war schon immer ein Vordenker mit Wahrheitszunge und stets
freundschaftlich zu meinen Kollegen und so
hilfreich wie nur möglich zu
unseren Bürgern in St. Georg.
Eine
große Freude
Immer
wieder erschienen freundlichen Bürger
in unserer Dienststelle, gegenüber dem Hamburger Hauptbahnhof,
und schmückten unsere Wache mit Blumen.
Vorausgegangen
war ein "Bürgermeisterskandal", der ein politischer
Polizeiskandal werden sollte.
Der
Innensenator Hackmann war zurückgetreten, und
Ständig
kamen neue Menschen zu uns, und sie hatten stets aufmunternde
Worte und Danksagungen.
Die
Polizei, ein Freund und Helfer???
Der Bürger war unser wahrer Freund und Helfer!!!
Zweite
große Freude
Eine
ältere Dame betrat unsere Dienststelle und wollte unbedingt
mit "der netten Kollegin" vom Tag zuvor sprechen.
Wir
sind eine vielbeschäftigte Dienststelle und so war es gar
nicht so einfach, die betreffende Kollegin ausfindig zu machen.
Wie
strahlte die Dame, der das Warten nicht zu lange geworden war,
als die richtige Kollegin plötzlich vor ihr gestanden hatte.
Die anderen Kollegen zogen sich zurück, waren aber neugierig,
als sich Diane Römer von der Dame verabschiedet hatte und
eine ganz kleine Tafel Schokolade in der Hand hielt.
"Was
hattest Du denn mit der Dame?", war die Frage, und Dianes
Antwort kam zögernd und bescheiden: "Ich war nur ein
Bißchen nett. "
Dritte große Freude
Dienst
bis zum letzten Tag, Erfüllung meines Diensteides war mein
Ziel. Und weil ich es trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung
geschafft hatte, plante ich ein Dankeschönbuffet für
meine Wachdienstgruppe und evtl. Gäste.
Ich
hatte alles vorbereitet. Es konnte nichts schief gehen, es mußte
einfach gelingen und ein schöner Abschluß-Dienst werden...
Aber
meine Kollegen hatten meine Vorbereitungen
mit den ihren verknüpft.
Lies
selbst, ob die Überraschung gelungen ist:
Noch
10 Minuten bis zu meiner letzten Fahrt.
Ich
hielt einen Brief in der Hand, weil wir den Briefkasten den Tag
über nicht geöffnet hatten, denn meine Gedanken liefen
nur in die eine Richtung und zwar Gelingen des letzten unvergeßlichen
Tages.
In
diesem Moment hörte ich Martinshorn, das nicht verstummte,
direkt vor unserer Haustür.
Ein
mit Blumen geschmückter Streifenwagen stand da, und ich wurde
abgeholt. Ich sollte die letzte Fahrt genießen und merkte,
daß ich nicht mehr der war, der ich eigentlich bin. Wie
im Traum nahm ich alles auf, die Luftballons im Streifenwagen,
den weich gepolsterten Sitz, die Hupkonzerte der Bürger,
die Blitzlichter beim Aussteigen, die Umarmungen der Kollegen
und Kolleginnen meiner Schicht, der roten Teppich bis zu meinem
Arbeitsplatz. Mein Stuhl war mit einem Thron und der Aufschrift
"König Jerry" ausgetauscht worden und auf einer
Torte brannten 40 Kerzen (für jedes Dienstjahr eine). Voller
Freude gelang es mir trotz Asthma alle mit einem Zug auszublasen.
Dann
die Fragen der Presse, die Fotografen, meine blaue Uniform mit
Tschako, die aus meiner Personalakte entnommene persönliche
Rede vom Revierführer Herrn Seeland, die netten Worte von
Petra mit dem Überraschungsscheck für meine Buchspendeaktion
in Tangermünde.
Ich
befand mich noch immer im Traum und wollte aufwachen, ich hatte
doch Dienst. Und so nahm ich wirklich auf meinem "Thron"
Platz und las die letzten Berichte, als Martin mich wieder in
einen Traum zog.
Wir
bestiegen den mit Blumen geschmückten Peter 11/10 und ab
ging es mit einer Eskorte kreuz und quer durch Hamburg-St. Georg,
denn jede Ecke ist mir ja seit sehr vielen Jahren bekannt.
Alles noch einmal aus dem Streifenwagen sehen, Martinshorn hören
und nicht aufwachen aus diesem Traum.
Es
war der Traum der Träume.
Meine
Abschließenden Worte hatte ich in diesem Traum über
Funk an alle Kollegen gesprochen und war dann erfreut, als sich
plötzlich die Wachraumtür öffnete und eine Vielzahl
von Kollegen auftauchte, um persönlich noch Hände zu
schütteln und tschüß zu sagen.
Aus
dem Schutzmann Jerry wurde ein Privatmann.
Als
dann auch die am Morgen im Bergedorfer Treff-Hotel folgende Begrüßungsfeier
vorbei war, wollte ich nach endlos langer Wachphase zur Ruhe kommen.
Doch die Gedanken kreisten.
Das
kleine persönliche Album meiner Schicht lesen, war wichtiger
als schlafen. Jeder hatte seine eigenen Gedanken, Texte und Wünsche
zu seinem Bild geschrieben.
Wieder
ein Traum mit Freudentränchen.
Vierzig
Jahre war ich ein Vordenker in der Polizei, stets ein Praktiker
ohne viele Worte.
Nun
bin ich als privater Bürger ein Nachdenker über eine
schöne Zeit geworden.
Ich
erkenne, daß mein Vorleben mit fröhlichem helfendem
Herzen Früchte getragen hat.
Ich
sage: "Danke" und verspreche, daß ich Euch und
St. Georg nicht vergessen werde.
Ihr
seht mich wieder. Euer
Jerry
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